Fotos: © Pia Henkel / RIK Berlin Südwest, Artikel: Torsten Wahl
24. RegioTalk am 17.06.2024 in der Agentur für Arbeit Steglitz-Zehlendorf
Wetterresilienz - Umweltfaktoren als Geschäftsrisiko oder Wettbewerbsvorteil
- Thema: Wetterresilienz und das Konzept der Schwammstadt zur Anpassung an Extremwetter.
- Ort: Wetterturm auf dem Fichtenberg, Steglitz-Zehlendorf, Berlin.
- Fokus: Regenwassermanagement, Förderung durch das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz.
- Ziel: Berlin als Schwammstadt – Netto-Null-Versiegelung, Wasserspeicherung und Begrünung.
- Praxisbeispiele: Projekte in Berlin-Zehlendorf und Starkregenprävention durch Rückstausicherungen.
Chancenkarten für Berlin
Beim 24. RegioTALK wurden Strategien gegen den Fachkräftemangel diskutiert
Die große, repräsentative Kantine in der vierten Etage der Agentur für Arbeit Berlin Süd wird schon lange nicht mehr bewirtschaftet – es findet sich einfach kein Betreiber! Das Gebäude am Händelplatz war der logische und passende Treffpunkt für den 24. RegioTALK des Regionalinkubators Berlin Südwest (RIK) zum drängenden Thema „Herausforderung Fachkräftemangel – Wie können Unternehmen gutes Personal gewinnen und halten?“
Moderator Juri Effenberg begrüßte als ersten Referenten den Hausherren. Mario Lehwald, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Berlin Süd, beschrieb die besondere Situation in Berlin. Hier gibt es, anders als anderswo, noch einen Markt für Arbeitskräfte. In seiner Eigenschaft als „Hüter der Zahlen“ untermauerte Mario Lehwald diesen Befund. Die rund 200.000 Arbeitssuchenden in ganz Berlin, davon rund 66.000 in den Stadtbezirken Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg, Neukölln und Treptow-Köpenick, stellen ein besonderes Potential dar. Ihnen gegenüber stehen rund 21.000 offene Stellen in Berlin, davon gut 6.000 in den vier Südbezirken.
Das Beispiel Tesla, wo innerhalb von anderthalb Jahren 12.000 Menschen eine Stelle fanden, zeigt, dass dieses Potential durchaus genutzt werden kann – auch Arbeitslose aus den Berliner Süden fanden einen Job beim E-Auto-Hersteller in Grünheide. Als „schwierig“ beschrieb Lehwald den Ausbildungsmarkt in Berlin: Es gibt deutlich mehr Bewerber als Ausbildungsstellen – die Lücke von 30 Prozent sei eine große Herausforderung für seine Behörde. Im Schnitt beginnen die Berliner erst mit 21 Jahren ihre Ausbildung – da sieht Lehwald noch viel Luft nach oben. Nach wie vor preist er die duale Ausbildung als den „Königsweg“: Sie sei am nachhaltigsten und mache sich sofort für die Unternehmen bezahlt. Die Agentur für Arbeit fördert auch die Weiterbildung während der Beschäftigung und die Qualifizierung von Arbeitssuchenden vor der Beschäftigung. Mario Lehwald warb eindringlich darum, die zahlreichen Möglichkeiten und Förderungen der Agentur für Arbeit zu nutzen, verwies auf neue Ausbildungsberufe wie die Fachkräfte für Optik oder Digitale Wirtschaft: „Kommen Sie auf uns zu!“
Als Expertin für einen besonderen Weg zur Gewinnung von Fachkräften trat Catharina Bergk ans Podium: Sie arbeitet bei der Agentur für Arbeit beim Team „International Services“, wirbt selbst in Südamerika für den deutschen Arbeitsmarkt. Ihr Motto: „Make it in Germany“ – so heißt auch das Internet-Portal der Bundesregierung. Catharina Bergk verwies auf die Zahl von 400.000 ausländischen Arbeitskräften, die laut Vorschlag der Wirtschaftsweisen jährlich in Deutschland gebraucht werden, und konnte den Unternehmern im Raum schon erste Hinweise darauf geben, ob und wie das neue „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ dabei helfen kann. So wurden die Gehaltsschwellen für die Blue Card deutlich gesenkt, Bewerber können mit Sprachkenntnissen und einer abgeschlossenen Berufsausbildung Punkte sammeln: „Wer sechs Punkte hat, bekommt die Chancenkarte.“
Die Gewinnung ausländischer Fachkräfte gehört auch zu den Aufgabenbereichen von Julian Algner von der Industrie- und Handelskammer Berlin (IHK). Der Manager für Public Affairs lieferte mit den Zahlen einer aktuellen Umfrage unter den Unternehmen viele Anregungen. So rangiert der Fachkräftemangel unter allen Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung klar auf Platz Eins. Fast drei Viertel aller Unternehmen können offene Stellen längerfristig nicht besetzen. Aufschlussreich sind auch die Gründe aus Sicht der Betriebe: So leidet das Gastgewerbe unter einem schlechten Image, während IT-Firmen darüber klagen, dass sie die geforderten Gehälter und Benefits nicht zahlen können. Zu den größten Herausforderungen zählt neben dem Ausscheiden in die Rente die Abwerbung durch andere Firmen. Kritisch sah Julian Algner den Fakt, dass weniger als jede dritte Firma in neue Technologien investieren will: „Das ist viel zu wenig!“
Auf moderne Technologien der Künstlichen Intelligenz bei der Suche nach Fachkräften baut die Firma Connectoor. Geschäftsführer Oliver Reinsch wendet sich an kleine und mittlere Unternehmen, die keine eigene „Recruiting“-Abteilung haben und wirbt mit dem Slogan „Happy Recruiting“. Das klingt schon mal anders als das harte „Rekrutieren“ – denn die Kandidaten können ja nicht abkommandiert, sondern müssen umworben werden. Oliver Reinsch setzt darauf, die Sichtbarkeit von kleinen und mittleren Unternehmen zu verbessern: Sie sollten ihre Werte klar definieren, offen und ehrlich mit den Bewerbern kommunizieren und ihre Benefits nicht erst am ersten Arbeitstag präsentieren.
Reinsch hatte weitere Tipps parat, als Moderator Juri Effenberg zum Finale alle vier Referenten nach vorn zur Fragerunde bat. Er riet Mittelständlern, neue Wege zu gehen, sich auch mal in Modellbauvereinen nach neuen Talenten für Ingenieursberufe umzuschauen, und nicht stur auf die Schulabschlüsse zu setzen. Auch für das Problem der Bindung von Saisonkräften gab er Anregungen: So könnten die Betreiber von Ausflugsschiffen, die nur im Sommer unterwegs sind, doch mit den Betreibern von Weihnachtsmärkten kooperieren. Ein reger Austausch zwischen Podium und Publikum entspann sich zum Thema: Wie und wo werden Fachkräfte aus dem Ausland am besten betreut? Das Podium war sich einig: „Berlin hat kein Problem mit mangelnder Attraktivität!“