Fotos: © Christian Schneider / RIK Berlin Südwest, Autor: Maximilian Wölfl
26. REGIOTALK VOM 29.10.2024 IM WETTERTURM STEGLITZ
Wetterresilienz - Umweltfaktoren als Geschäftsrisiko oder Wettbewerbsvorteil
- Thema: Wetterresilienz und das Konzept der Schwammstadt zur Anpassung an Extremwetter.
- Ort: Wetterturm auf dem Fichtenberg, Steglitz-Zehlendorf, Berlin.
- Fokus: Regenwassermanagement, Förderung durch das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz.
- Ziel: Berlin als Schwammstadt – Netto-Null-Versiegelung, Wasserspeicherung und Begrünung.
- Praxisbeispiele: Projekte in Berlin-Zehlendorf und Starkregenprävention durch Rückstausicherungen.
Auf dem Weg zur „Schwammstadt“
Beim 26. RegioTalk wurden mögliche Schutzmaßnahmen bei Extremwetterereignissen diskutiert
Erbaut auf der höchsten Erhebung des Bezirks, 1886 in Betrieb genommen und mittlerweile Berliner Baudenkmal: Der Wetterturm auf dem Fichtenberg in Steglitz-Zehlendorf zählt fraglos zu den historischen Gebäuden im Südwesten Berlins – und diente am vergangenen Dienstag als Veranstaltungsort für den 26. RegioTalk des Regionalinkubators Berlin Südwest. Das passende Thema: Wetterresilienz – Umweltfaktoren als Geschäftsrisiko oder Wettbewerbsvorteil.
Die Eröffnung des informationsreichen Abends, moderiert von RIK-Projektleiter Juri Effenberg, wurde Daniela Schoster zuteil. Die Hausherrin führte die rund 30 Teilnehmenden bis in den sechsten Stock des Wetterturms, der einen kilometerweiten Blick über die Stadt gewährt. „Wir sind die einzige Station in Deutschland, die noch Augenbeobachtungen vornimmt. 2022 hat der Deutsche Wetterdienst alle Stationen auf Automation umgestellt. Weil wir aber kein offizieller Teil davon sind, laufen wir unabhängig. Darüber ist beispielsweise die Berliner Stadtreinigung sehr froh. Das automatische Distrometer des Wetterdienstes kann die Niederschlagsart nicht exakt erfassen“, erzählte Schoster. „Unsere Aufgabe ist es nicht nur, das Wolkenbild zu sichten, wir dokumentieren zum Beispiel auch, wann Niederschlag gefallen ist, ob er fest oder flüssig ist und welche Intensität er hat.“
Einer, der sich bestens mit Niederschlag und dem Umgang damit auskennt: Harald Kraft. Der Diplom-Ingenieur setzte mit seinem 1985 gegründeten Ingenieursbüro seither zahlreiche Bauprojekte mit Regenwasserbewirtschaftungskonzepten um – darunter etwa die Wohnsiedlung an der Berliner Straße 88 in Berlin-Zehlendorf: Auf zwei Hektar wurden hier bereits vor der Jahrtausendwende unter anderem eine Regenwassereinspeicherung mit 650 Kubikmetern sowie eine öffentliche Freifläche für einen Wasserlauf und einen Teich geschaffen. „Eine der schönsten und wirkungsvollsten ökologischsten Maßnahmen“, befand Kraft, der in seiner lebhaften Präsentation auch Bauprojekte von Berlin-Spandau über Teltow-Mühlendorf bis hin zur Mongolei vorstellte. „Das Wasser für die Einspeicherung und die Freiflächen kommt in der Berliner Straße von den Dächern der Wohnhäuser und wird anschließend durch bepflanzte Bodenfilter gereinigt“, berichtete Kraft stolz. Wieso man das gereinigte Regenwasser nicht auch für die Toilettenspülung in den Wohnungen nutzen dürfe, entgegnete ein Veranstaltungsteilnehmer. Dafür sei erwiesenermaßen ja bereits Grauwasser ausreichend. „Das ist ganz einfach: Mit den Preisen der Berliner Wasserbetriebe konnten wir bisher nicht konkurrieren. Da besteht noch keine Notwendigkeit, darüber nachzudenken“, befand Kraft und fügte mit einem Augenzwinkern an: „Vielleicht braucht es dafür noch ein trockenes Jahr.“
In Kindheitstagen Anwohner in der Berliner Straße 88 war Louis Kott von der Regenwasseragentur Berlin. „Vielleicht kommt daher meine Begeisterung für das Thema Wasser“, scherzte Kott, der in seinem Vortrag ausführte, wie sich die Ressource Regen mehrwertstiftend nutzen lässt und die Millionenmetropole Berlin generell mit Witterung umgeht: „Wir haben mit zwei Extremsituationen zu kämpfen. Zum einen zu viel Regenwasser in Folge von Starkregenereignissen sowie das komplette Gegenteil: wenig oder kein Regenwasser, wodurch Kleingewässer austrocknen und unsere Stadtvegetation leidet.“ Um sein eigenes Zuhause vor Wasserschäden zu schützen, empfiehlt die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt in ihrem Flyer „Krass, ist das nass!“ unter anderem die Anbringung von Schwellen oder Stufen an Eingängen, Kellerfenstern und Lichtschächten. „Auch der Einbau einer Rückstausicherung oder die Erhöhung von Lichtschächten ist nützlich“, erzählte Kott. Zur Identifizierung von Senken auf dem eigenen Grundstück, die sich potenziell mit Regenwasser füllen könnten, dient die Starkregenhinweiskarte der Stadt Berlin, die grundstücksscharf eine topografische Senkenanalyse liefert. Kott: „So kann ich erkennen, ob es auf meinem Grundstück vulnerable Punkte gibt – zum Beispiel Senken in der Nähe meines Technikkellers oder ein nicht hochgemauerter Lichtschacht.“
Das Ziel Berlins sei es, sich sukzessive zu einer sogenannten „Schwammstadt“ zu entwickeln. Die vier Ankerpunkte der aktuellen Koalition: Abkopplung im Bestand, Netto-Null-Versiegelung, Erhalt der Kleingewässer und des Stadtgrüns sowie eine wassersensible Entwicklung neuer Quartiere. Regenwasser soll so künftig nicht mehr in die Kanalisation geführt, sondern auf einem Grundstück „direkt zur Bewirtschaftung“ genutzt werden, erklärte Kott. Damit soll auch die Überlastung der Kanalisation bei Starkregen vermieden werden. „Gerade bei Bestandsgebäuden lässt sich das nicht von heute auf morgen umsetzen. Dafür wurde die ‚Begrenzung von Regenwassereinleitungen bei Bauvorhaben in Berlin (BReWa-BE)‘ ins Leben gerufen“, so Kott. Diese greift bei Neubauten und Sanierungen.
Was ein Sturm genau mit sich bringt, wie mögliche Schutzmaßnahmen aussehen könnten und welche Auswirkungen der Klimawandel auf das Wetter hat, führte Dr. Nico Becker (Institut für Meteorologie, FU Berlin) aus: „Viele Folgen des CO2-Anstiegs sind relativ gut abschätzbar: Es wird im Sommer mehr Hitzewellen geben, der Meeresspiegel steigt an und die Ozeane versauern.“ Die Auswirkungen auf Stürme seien hingegen unklarer. „Weil die Zusammenhänge komplexer sind“, zeigte Becker auf. Mit „mittlerer Sicherheit“ könne man sagen, dass die Häufigkeit starker Winde und Stürme leicht zunehmen könnte. Zudem sei eine Mehrung von „schweren konvektiven Wetterlagen“ – sprich: Gewittern – mit „mittlerer Sicherheit“ vorauszusagen, so Dr. Becker. Zum Thema „Prävention von Sturmeinsätzen“ stellte Dr. Becker das Projekt „FORTEC“ vor, das die Deutsche Bahn zum Schutz ihres 33.400 Kilometer umfassenden Schienennetzes nutzt. „Anhand von Satellitendaten erkennt das Projekt umsturzgefährdete oder kranke Bäume“, so Dr. Becker. Diese könnten dann im Rahmen einer Durchforstung entfernt werden, bevor sie das Schienennetz beeinträchtigen.
Welche Fördermöglichkeiten privatwirtschaftliche Unternehmen ergreifen können, zeigte Christine Hellerström vom Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz (KNK) auf. Beim KfW-Umweltprogramm im Rahmen des Aktionsprogramms Natürlicher Klimaschutz (ANK) haben Unternehmen die Chance, einen Zuschuss von bis zu 60 Prozent für natürliche Klimaschutzmaßnahmen zu erhalten. Das kann eine Begrünung von Gebäuden, eine Entsiegelung befestigter Flächen oder ein dezentrales, integriertes Niederschlags- und Wassermanagement sein. „Wir halten Ausschau nach Unternehmen, die den Beantragungsprozess durchlaufen haben und uns von ihren Erfahrungen damit berichten können“, so Hellerström. Bis 2028 stehen im ANK über 3,5 Milliarden Euro für Maßnahmen des Natürlichen Klimaschutzes zur Verfügung.
Eine kurze Fragerunde sowie zusammenfassende Abschlussworte von Moderator Juri Effenberg schlossen die knapp dreistündige Veranstaltung. Sicher ist: Der 26. RegioTalk des Regionalinkubators Berlin Südwest hat aufgezeigt, wie Unternehmen Umweltfaktoren als potenzielle Geschäftsrisiken wahrnehmen und gleichzeitig durch Maßnahmen zur Wetterresilienz nachhaltige wirtschaftliche Chancen nutzen können.
Wie Sie Ihr Zuhause oder Ihre Betriebsgebäude vor Starkregen schützen können und ob Ihre Region von Überflutungen bei Starkregen gefährdet ist, können Sie über folgende weitere Informationen herausfinden: