· 

Busreisen - Ganz nah, weit weg und wohin?

Fotos: Bernd Elmenthaler, Autor:Sven Goldmann

19. regiotalk vom 20.02.2024 auf der domäne dahlem

Busreisen - Ganz nah, weit weg und wohin?

Die Reise ist das Ziel.

Beim 19. RegioTALK des Regionalinkubators Südwest wird über die Zukunft der Busreisen debattiert

Später am Abend kommt auch Konfuzius zu Wort. Christiane Leonard, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer, führt ihn ein mit dem schönen, wenn auch leicht abgewandelten Zitat: „Die Reise ist das Ziel.“

 

Ja, so hätte Konfuzius das vielleicht formuliert, wenn es vor 2500 Jahren schon Busreisen gegeben hätte und er beim 19. RegioTALK des Regionalinkubators Südwest (RIK) das Wort geführt hätte. 90 Minuten lang wird im Culinarium der Domäne Dahlem leidenschaftlich debattiert bei dieser Kooperationsveranstaltung von RIK und Tourismusdialog Berlin. Sind Urlaubsreisen mit dem Bus wieder gefragt? Welche Infrastruktur wird benötigt, und wer soll sie bezahlen? „37 Millionen Menschen waren in Deutschland im vergangenen Jahr mit dem Bus unterwegs“, sagt Wolfram Goslich, der Moderator dieses kurzweiligen Abends. Auch und gerade in Berlin sind Busreisen ein tragendes Element im touristischen Portfolio. Allein der weltweite Branchenführer Flixbus hat 2023 mehr als 2 Millionen Fahrgäste nach Berlin gebracht. Die Reise ist das Ziel.

 

Ganz im Sinne des abgewandelten Konfuzius-Zitats geht es um mehr als nur darum, Passagiere von A nach B zu transportieren. Zum Beispiel bei Ulrich Basteck, dem Geschäftsführenden Gesellschafter des Berliner Unternehmens Wörlitz Tourist. Auch sein Unternehmen hat unter den Zwängen der Corona-Pandemie gelitten, unter den Reglementierungen einer Zeit, in der vielen der Wert einer lange als selbstverständlich empfundenen Bewegungsfreiheit erst richtig bewusst wurde. „Wir sind jetzt wieder nahe an den Zahlen der Vor-Corona-Zeit“, sagt Basteck. Sein Geschäftsmodell betrifft vor allem den Dritt- oder Vierturlaub, die Städte- oder Themenreisen, „bei uns wollen die Leute ihren Horizont erweitern, und die Nachfrage ist mittlerweile wieder sehr gut“. Die Babyboomer kommen in die Jahre, sie haben Geld und wollen es ausgeben.

 

Die Probleme liegen anderswo. Basteck erzählt von dem „vielen Blech, das bei uns auf dem Hof steht“ – Busse, die bewegt werden wollen. Was fehlt, ist das Personal. Die Fahrer und Reiseleiter. Die Hoteliers und Gaststättenbetreiber, die Gruppen als Kunden akzeptieren. Der Fachkräftemangel trifft auch den Tourismus. Dazu ist es die immer noch als übergriffig empfundene Bürokratie, die den Unternehmern zu schaffen macht. Um Gehör zu finden, haben sie sich den Bundestagsabgeordneten Michael Donth in die Domäne Dahlem eingeladen. Der CDU-Mann sitzt in den Ausschüssen für Verkehr und Tourismus. Beim RegioTALK signalisiert Donth die grundsätzliche Bereitschaft der Politik, über die Abschaffung von überholten Standards nachzudenken, etwa die immer noch gewaltigen Kosten, die die Ausbildung der so dringend benötigten Busfahrer verschlingt.

 

Bei Flixbus registrieren sie allen Problemen zum Trotz einen gestiegenen Trend zur freizeitbezogenen Busreise. Daniel Packenius führt die Geschäfte der Tochtergesellschaft für Deutschland, Österreich und die Schweiz und freut sich über die steigende Nachfrage für Reisen in europäische Hauptstädte, „aber auch bei den Geschäftsreisen geht es bergauf“, etwa auf der Linie München – Zürich. „Wir hatten im vergangenen Jahr das größte Flixbus-Netz aller Zeiten, mit 280 Destinationen und rund tausend Abfahrten am Tag.“

 

Was macht den neuen Trend zu Busreisen aus? Christiane Leonard verweist auf ein Thema, das zu Konfuzius‘ Zeiten noch nicht auf der Tagesordnung stand: „Die Leute mögen den Bus auch, weil er das umweltfreundlichste Verkehrsmittel ist. Darum streiten wir traditionell mit der Bahn. Aber zurzeit listet uns das Umweltbundesamt auf Nummer eins, und die Kollegen dort stehen ja eher nicht im Verdacht, auf unserer Payroll zu stehen.“

 

Die Frage nach der Umweltfreundlichkeit des Busses wird Dirk Ansorge öfter gestellt. Der Head of Technical Product Marketing Bus  der VW-Nutzfahrzeugtochter MAN Truck & Bus, Dr. Dirk Ansorge, antwortet dann: „Das lässt sich ganz einfach ausrechnen: Was verbraucht der Bus auf 100 Kilometer? Das müssen Sie dann nur pro Kopf umlegen“, und da liege der Bus eben vorn. Wenn diese umweltfreundliche Art des Reisens dennoch zuweilen Kritik auf sich zieht, so richtet sich diese an die nicht von allen als durchgehend komfortabel empfundene individuelle Freiheit. Der Raum im Bus reduziert sich auf geschätzt zwölf mal drei Meter, und der wird in Deutschland fast ausschließlich mit vier Sitzplätzen pro Reihe gefüllt. „In Südamerika oder Asien sind drei Sitze die Regel. Warum ist das bei uns nicht möglich?“, fragt der Moderator Wolfram Goslich. Daniel Packenius entgegnet, das theoretisch alles möglich sei, „aber wie groß ist die Zahlungsbereitschaft? Wenn wir Dreierreihen anbieten, verlieren wir ein Viertel der Kapazität.“ Das schlage sich auf den Preis nieder und damit auf den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen wie Flixbus oder Wörlitz.

 

Ähnliches steht auch von einer möglichen Umstellung der Fahrzeugflotte auf Elektromotoren zu erwarten. Flixbus hat vor ein paar Jahren zwischen Frankfurt und Mannheim den ersten E-Bus auf die Strecke gebracht – und musste das Experiment mangels Erfolg abbrechen. „Stand heute ist der Dieselbus noch immer die beste Technologie“, sagt Daniel Packenius, „aber in 20 Jahren wird das wohl nicht mehr so sein.“ Als nächstes will er es mit Biogas probieren, denn wer außer Konfuzius weiß schon, wohin die Reise geht.