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Räumliche Einzelhandelsentwicklung im Berliner Südwesten - Vorstellung des Centrenkonzepts für den Bezirk Steglitz-Zehlendorf

Fotos: Bernd Elmenthaler, Autor: Sven Goldmann

16. RegioTalk vom 16.11.2023 im Gutshaus steglitz

Räumliche Einzelhandelsentwicklung im Berliner Südwesten - Vorstellung des Centrenkonzepts für den Bezirk Steglitz-Zehlendorf

„Der Mix macht den Erfolg.“

Beim RegioTALK des Regionalinkubators Südwest wird über das neue Zentrenkonzept für Steglitz-Zehlendorf diskutiert

Peter Helbig ist mit dem Zug angereist. Das klingt weniger spektakulär, als es in Wirklichkeit ist, denn in ganz Deutschland streiken gerade die Lokführer, und da zieht eine Reise mit dem ICE vom Nürnberger Hauptbahnhof nach Berlin Südkreuz ein gar nicht so kleines Abenteuer nach sich. Weil aber Peter Helbig sehnlichst er beim 16. RegioTALK des Regionalinkubators Südwest (RIK) erwartet wird, hat er sich auf den Notfahrplan verlassen und ist tatsächlich pünktlich im Gutshaus Steglitz angekommen. Knapp 100 Gäste drängen sich in freudiger Erwartung im Rokokosaal, und zu Ehren des fränkischen Gastes leuchtet der Kronleuchter an diesem schummrigen November Abend besonders hell.

 

Um kurz vor sieben bittet RIK-Chef Professor Frank Schaal den Mann des Abends auf die Bühne. Peter Helbig zaubert einen USB-Stick aus seiner Aktentasche hervor. Darauf gespeichert sind 42 Folien mit der Kernbotschaft eines 200 Seiten starken Gutachtens, auf das der Berliner Südwesten lange und gespannt darauf gewartet hat. Jetzt liegt es endlich vor: das neue Zentrenkonzept für den Einzelhandel im Bezirk Steglitz-Zehlendorf, erstellt von der Dr. Donato Acocella Stadt- und Regionalentwicklung GmbH, als deren Geschäftsführer Peter Helbig amtiert. Die Botschaft seines 45-minütigen Vortrags lässt sich so zusammenfassen: Der Berliner Südwesten ist immer noch gut aufgestellt, aber er steht vor großen Herausforderungen.

 

Ein Zentrenkonzept gibt den räumlichen Rahmen für Einzelhandelsansiedlungen vor. Es dient als Leitlinie zur Beurteilung von Standortfragen, zur Entwicklung von Standortangeboten, als Basis und Orientierung für die Aufstellung und Änderung von Bebauungsplänen. Das letzte Zentrenkonzept für Steglitz-Zehlendorf datiert von 2011, und seitdem hat sich die Welt schon ein wenig verändert. In diesem Sinne bietet Philip Haverkamp zur Einleitung einen kurzen Überblick über die aktuelle Situation. Der Geschäftsführer des Handelsverbandes Berlin-Brandenburg verweist auf gestiegene Lebensmittel- und Energiepreise, auf die Einbrüche in Folge von Corona und den russischen Angriffskrieg, und wer weiß schon, wie sich die angespannte Lage im Nahen Osten mittelfristig auf das Geschäftsklima auswirken wird. Krisen sind negativ für die Konsumstimmung, erst recht in Berlin, wo die Kaufkraft traditionell überschaubar ist. „Immerhin ist hier die Beschäftigung im Einzelhandel noch krisenfest“, sagt Phillip Haverkamp. „In Brandenburg schwächelt sie schon leicht.“

 

Peter Helbig listet in seinem Vortrag auf, dass es in Steglitz-Zehlendorf derzeit 1314 Einzelhändler gibt, sie gehen ihrem Geschäft auf einer Verkaufsfläche von 330 000 Quadratmetern nach und setzen dabei im Jahr knapp 1,9 Milliarden Euro um. Schwerpunkt des südwestlichen Einzelhandels ist nach wie vor das Hauptzentrum an der Schloßstraße, und genau dort türmt sich auch das statistisch größte Problem auf. 19 Prozent der Verkaufsfläche stehen leer. Betroffen sind vor allem kleinere Läden, so dass die Schloßstraße mit all ihren geschäftigen Nebenstraßen im Gesamtbild immer noch als pulsierende und prosperierende Einkaufsmeile daherkommt.

 

Auf dass sich daran in Zukunft nichts zum Schlechteren wendet, regt Peter Helbigs Gutachten allerlei Maßnahmen an. In der Quintessenz geht es vor allem darum, das Einkaufen verstärkt zu einem Erlebnis über das Geldausgeben hinaus zu machen. Zentren müssten sich als überdachte öffentliche Räume im gehobenen Segment verstehen. Darüber hinaus sollten angrenzende Grünflächen, Stellplätze für Fahrräder und verkehrsberuhigende Maßnahme das Wohlbefinden der zahlenden Kundschaft steigern.

 

 

Die Botschaft kommt an. In der abschließenden und von RIK-Chef Professor Frank Schaal moderierten Runde verspricht Patrick Steinhoff, Stadtrat für Stadtentwicklung, den Einfluss des Bezirksamtes geltend zu machen: „Die Steglitzer und Zehlendorfer sollen attraktive Zentren vorfinden. Daran werden wir arbeiten.“ Michael Pawlik, im Bezirk für die Wirtschaftsförderung zuständig, hofft auf ein Mehr an Vielseitigkeit und verweist dabei auf die Idee der Betreiber des Schloss-Straßen-Centers, der nach dem Auszug eines Textildiscounters die Räumlichkeiten für eine kulturelle Zwischennutzung freigab. In diesem Sinne betont Phillip Haverkamp die Wichtigkeit eines Funktionsmixes, auf den sich die Zentren einstellen sollten: Einkaufen bleibe der Anker, aber ein Bummel müsse auch zum nachhaltigen Erlebnis in Sachen Dienstleitungen, Gastronomie oder Kultur werden.

 

Einkaufen ist kein Selbstläufer mehr, in Berlin genauso wenig wie in Nürnberg, wo der Konzeptentwickler Peter Helbig vor ein paar Stunden in den Zug gestiegen ist. Die Altstadt der fränkischen Kapitale ist die älteste und größte Fußgängerzone Europas, ein Dreieck aus Mode, Lifestyle und Luxus. Aber Online-Shops, hohe Mieten und explodierende Energiekosten haben Spuren hinterlassen. Heute, erzählt Peter Hebig, gibt es in der Nürnberger Altstadt noch ganze vier Schuhgeschäfte.